Bei leichter Stressinkontinenz und vor allem bei Dranginkontinenz lassen sich die verschiedenen Beschwerden durch Medikamente lindern. Die Inkontinenz wird dadurch nicht geheilt.
Der Erfolg der medikamentösen Therapie zur Behandlung einer Harninkontinenz wird meist überschätzt. Bisher stehen keine Medikamente zur Verfügung, die jeweils gezielt auf die Blase oder das Schliessmuskelsystem wirken. Grundsätzlich ist zu beachten, dass alle in Frage kommenden Medikamente Nebenwirkungen haben und lediglich Symptome, nicht jedoch die Ursachen von Inkontinenz bekämpfen. Um die Nebenwirkungen gering zu halten, ist die individuell richtige Dosierung für den Patienten von großer Bedeutung.
Das Problem der Nebenwirkung betrifft vor allem ältere Patienten, die unter mehreren Erkrankungen gleichzeitig leiden (Multimorbidität). Wenn verschiedene Medikamente eingenommen werden müssen, kann es zu riskanten überschneidungen der Wirkstoffe kommen. Daher ist Selbstmedikation auf jeden Fall zu vermeiden.
Für die unterschiedlichen Formen und Schweregrade der Harninkontinenz stehen Ihrem Arzt verschiedene pharmazeutische Wirkstoffe zur Verfügung:
Der Wirkstoff Duloxetin wurde als Antidepressivum zur Therapie von Depressionen und Angststörungen entwickelt. Mittlerweile wird der Wirkstoff auch zur Behandlung der Stress-/Belastungsinkontinenz eingesetzt. Duloxetin bewirkt – vereinfacht ausgedrückt – dass sich der innere Schliessmuskel stärker zusammenzieht und dadurch mehr Druck von der Blase aushalten kann, ohne dass Urin abgeht.
Nerven übertragen Signale, die die zunehmende Blasenfüllung und den Harndrang melden. Gelangen diese Signale vom Gehirn wieder zur Blase, setzen sie an den Nervenendigungen die Substanz Acetylcholin frei. Diese Substanz wandert zu bestimmten Bereichen in der Wand der Muskelzellen, aus denen die Blase besteht. Dort wird Acetylcholin an sogenannte Rezeptoren gebunden, d. h. Acetylcholin passt wie ein Schlüssel zum Schlüsselloch (A). Diese Verbindung bewirkt dann, dass sich die Muskelzellen zusammenziehen. Geschieht dies im gesamten Blasenmuskel, so kommt es zu einer Harnentleerung.
Eine bestimmte Gruppe von Medikamenten – die Anticholinergika – wirken nun dadurch, dass sie ebenfalls in das „Schlüsselloch” an der Wand der Muskelzellen passen. So blockieren sie die Rezeptoren und das vom Körper freigesetzte Acetylcholin kann nicht mehr wirken (B). Die Fähigkeit der Blase, sich zu kontrahieren, lässt nach und die zeitlichen Abstände zwischen dem Wasserlassen verlängern sich.
Graphik Wirkungsweise von Anticholinergika
A Das Andocken von Acetylcholin bewirkt eine Kontraktion der Blasenwand
B Anticholinergika verhindern das Andocken von Acetylcholin
Generell stehen neben begrenzt wirksamen medikamentösen Behandlungen weitere Therapien zur Verfügung. Im Vordergrund hier stehen die sogenannten konservativen, d.h. nicht chirurgischen Therapien. Sie umfassen:
Ein wichtiger Teil der Gesamtbehandlung ist die Versorgung mit Hilfsmitteln wie Kondomurinalen oder aufsaugenden Inkontinenzprodukten. Hilfsmittel werden begleitend zur Therapie notwendig, um dem Betroffenen bis zur Beschwerdefreiheit Sicherheit zu geben. Bei nicht mehr behandelbarer Harninkontinenz erleichtern sie das Leben der Betroffenen ganz entscheidend.